Zwei Paar Stiefel: Nutzer- vs. Kundenperspektive

2. August 2023 von Veronika Ansorge

Es ist unser tägliches Geschäft mit unseren Kunden in Kontakt zu treten, ihre Bedürfnisse zu identifizieren und mit ihnen gemeinsam die für sie passende Lösung zu entwickeln. Nicht umsonst ist einer unserer Leitsätze  „Wir möchten in den Schuhen unserer Kunden gehen." Wer diese Aussage auf unserer Homepage schon entdeckt hat, weiß, dass noch im selben Absatz über Nutzerbedürfnisse gesprochen wird. Doch wie passt das zusammen? Und warum ist es so wichtig zwischen Kunden- und Nutzerbedürfnissen zu unterscheiden? 

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Wir möchten in den Schuhen unserer Kunden gehen. (© Vlad Tchompalov auf Unsplash)

Zwei Paar Stiefel

Wenn es um Software geht, gibt es verschiedene Rollen, die unsere Kunden einnehmen:  

  • Es gibt Kunden, die keine Nutzer ihrer Software sind, sondern diese anderen zur Verfügung stellen, bspw. ihren Mitarbeitenden oder ihren eigenen Kunden
  • Kunden, die ihre Software wie die Standardnutzer verwenden 
  • Und Kunden, die ihre Software als Sonderrolle nutzen, bspw. zur Administration.

Gerade in den letzten beiden Fällen ist es wichtig, zwischen den Auftraggebern, die für die Anwendung zahlen und ihre Wünsche äußern, und den Endnutzern der Anwendung zu unterscheiden. Denn diese sind die Kunden des Kunden und machen letztendlich den Großteil aus!

Doch wieso ist diese Abgrenzung so wichtig? Es handelt sich um zwei verschiedene Paar Stiefel, die wir uns im Entwicklungsprozess anziehen.

Die richtige Perspektive einnehmen   

Die Motivation unserer Kunden ist meistens, ihren Nutzern eine Anwendung zur Verfügung zu stellen, mit der ein Geschäftsprozess abgebildet werden kann, bspw. eine Stammdatenpflege. Dabei ist es unseren Kunden wichtig, dass die Nutzer die Aufgabe ressourcenschonend und dennoch effizient bearbeiten können, vor allem in B2B-Anwendungen, bei denen die Nutzer oft die eigenen Mitarbeiter sind. 

Dabei müssen unsere Kunden natürlich ihr Projektbudget im Auge behalten. Sie haben also das Bedürfnis, ihre Mitarbeiter durch die Software beim Erledigen ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen, und gleichzeitig kosteneffizient zu investieren. Zusätzlich können Kunden auch Nutzer ihrer Anwendung sein, allerdings manchmal in einer Sonderrolle als Administratoren. Sie verfolgen dann aus ihrer Nutzerperspektive das Ziel, die Rechteverteilung, Statistiken o.ä. effizient einsehen und bearbeiten zu können.

Nutzer, die keine Kunden sind, nutzen die Anwendung anders. Sie wollen in ihrer täglichen Arbeit unterstützt werden, dabei ist frustfreie Effektivität meist wichtiger als Effizienz. Fehlende Rechte können ebenso frustrieren wie unvorhersehbares Verhalten der Anwendung. Daher sind Fehlermeldungen, Hinweistexte und Hilfefunktionen wichtig. “Extra”-Features, die der Kunde aus Sicht des Optimalfalls und Investminimums nicht von sich aus möchte, die aber die UX verbessern und somit die Nutzenden unterstützen, effektiver und effizienter zu arbeiten. 

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Die Kundenperspektive unterscheidet sich von der Nutzerperspektive (© eXXcellent solutions nach einer Idee von piterskii_punk)

Alles unter einen Hut bringen   

Es ist bei der Problemlösung also unverzichtbar, sowohl die Perspektive des Kunden als auch die der Nutzer zu betrachten. Nur so kann eine Anwendung entstehen, die die Bedürfnisse beider Gruppen vereint und keine Schmerzpunkte entstehen lässt. Klingt so weit nachvollziehbar – doch wie schaffen wir es Ziele, Bedürfnisse, Motivation und Schmerzpunkte der Kunden und Nutzer bei der Entstehung einer Lösung unter einen Hut zu bringen? Hilfreich dabei sind Perspektivwechsel, die durch den Einsatz von Personas unterstützt werden können.

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Beispiel Persona Kundenperspektive (© eXXcellent solutions)

Kommt ein Kunde mit seinem Anliegen zu uns, ist es für uns wichtig zunächst sein tatsächliches Problem zu identifizieren. Es geht hier um die Schmerzpunkte und die Motivation des Kunden. Hat der Kunde bspw. eine Idee für eine neue Anwendung oder ein neues Feature, ist es für uns wichtig zu verstehen, welche Aufgaben mit der Anwendung erledigt werden sollen. Möchte der Kunde eine bestehende Anwendung bspw. überarbeiten oder gar ersetzen, ist es für uns wichtig herauszufinden, wieso die alte Anwendung nicht mehr trägt. Es handelt sich dabei selten um nur ein zu lösendes Problem. Durch Methodiken wie bspw. Problem Statements, intensives Arbeiten mit Personas oder der Erhebung von Nutzerfeedback, werden die zusammenhängenden Probleme erkannt, die sich einzeln fokussieren lassen, aber gemeinschaftlich gelöst werden müssen. 

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Beispiel Persona Nutzerperspektive (© eXXcellent solutions)

Sind diese Probleme identifiziert, wechseln wir die Perspektive, um herauszufinden wie wir das identifizierte Problem lösen können. Wir stellen den Nutzer und seine Ziele, Bedürfnisse und Schmerzpunkte in den Fokus. Auch hier gibt es verschiedene Methoden, mehr über die Nutzerbedürfnisse zu erfahren: Mithilfe einer User Journey lässt sich die Arbeitsweise des Nutzers antizipieren, durch Interviews identifiziert man die Motivation der Nutzer und durch Beobachtungsstudien deren Gedanken bei der Nutzung der Anwendung. 

Die daraus resultierende Anwendung löst also das Problem des Kunden und stellt gleichzeitig die Nutzerfreundlichkeit für den Nutzer sicher. 

Die richtigen Schuhe anziehen   

Damit die eben beschriebene Methodik optimale Software hervorbringen kann, ist es wichtig, dass der Kunde uns vertraut und das nutzerzentrierte agile Vorgehen mitträgt. Dazu gehört es auch, bereits getroffene Annahmen wieder zu verwerfen und bereit zu sein, einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Neu gewonnene Erkenntnisse, z.B. aus Nutzerstudien, weisen den Weg in die richtige Richtung. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Software nicht nur effizient für den Auftraggeber, sondern auch effektiv nutzbar ist. 

Durch das regelmäßige Reflektieren und Hinterfragen unserer Annahmen und den Abgleich mit den Ergebnissen aus Untersuchungen, werden wir gemäß Kaizen kontinuierlich besser. In diesem Prozess lassen wir uns von unseren Unternehmenswerten leiten: Empathisch, reflektiert und substanziell. Denn nur wenn wir uns in unsere Kunden hineinversetzen, unsere Schritte reflektieren und am tatsächlichen Problem arbeiten, schaffen wir passgenaue Lösungen, die sowohl ideal auf unsere Kunden zugeschnitten sind als auch auf die Nutzer der Software. Wir gehen also nicht nur in den Schuhen unserer Kunden, sondern ziehen uns auch die Schuhe der Kunden des Kunden an. 

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Über die Autor:innen:

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Veronika Ansorge:

Autorin Veronika Ansorge ist Senior Software Engineer bei der eXXcellent solutions in Ulm. Seit 2020 ist sie als Beraterin und Entwicklerin im Bereich SAP und Web tätig. Weitere Schwerpunkte liegen in der Mensch-Computer-Interaktion und im agilen Entwickeln.


Michael-Englbrecht

 

Michael Englbrecht:

Co-Autor Michael Englbrecht ist Portfolio Manager SAP bei der eXXcellent solutions in Ulm. In seiner 23-jährigen Berufserfahrung im SAP-Bereich begleitete er viele Projekte bei der Umsetzung eigener UX-Konzepte und der Implementierung von SAP Fiori. In seiner Rolle als Business Manager leitet er außerdem Individual-Entwicklungsprojekte. Er ist Autor zahlreicher Bücher veröffentlicht beim Rheinwerk Verlag (SAP Press) u.a. zu SAP Fiori, SAP Schnittstellenprogrammierung und SAPUI5.

Katja-Kruse

 


Katja Kruse
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Co-Autorin Katja Kruse ist als UI/UX-Expertin bei der eXXcellent solutions in Ulm. Seit Oktober 2022 begleitet sie mehrere Projekte bei der Umsetzung eigener UX-Konzepte. Weitere Schwerpunkte liegen in der Entwicklung von Konzepten für interaktive Systeme im Einklang mit gängigen Usability Normen.

 

Tags: Alle Blogbeiträge, Entwicklung & Methodik

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